Gerade in Beziehungen ist es immer wieder schwer sich selbst und seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse nicht zu verlieren.
Die Vorstellung wie eine gute laufende Beziehung zu sein hat verhindert, häufig für Frauen, sich selbst weiterhin als eigenständige Person wahrzunehmen. Die Grenzen verschmelzen und irgendwann kommt man an den Punkt, dass die eigene Unzufriedenheit deutlich an Dominanz gewinnt.
Ich freue mich daher sehr, dass Riccarda Larcher im heutigen Gastartikel Missverständnisse über Grenzen in einer Beziehung beschreibt:
In einer „richtigen“ Beziehung ist man füreinander da. Immer und ausnahmslos.
Stimmst du dem zu? Aufeinander neugierig zu sein, den anderen zu unterstützen, wann immer er es braucht, deinem Mann kleine Liebesdienste erweisen, ihn jede Minute eures Lebens deine grenzenlose, unbändige Liebe spüren zu lassen, das ist cool, nicht wahr?
Es ist auch jede Menge Arbeit. Daher nennt es sich wahrscheinlich Beziehungsarbeit. Über deinen Job darfst du jammern, über deine Kinder, die bei aller Liebe manchmal deine Grenzen extrem ausloten, darfst du dich ausweinen, aber die Liebe, deines Lebens, da sollte alles easy-cheesy laufen.
So beißt du also die Zähne zusammen und lächelst alle Überforderung weg. Diese Überforderung, die dir Lust und Freude stiehlt, die dich auslaugt und unzufrieden macht.
Brené Brown, Professorin und Autorin über psychologische Themen meint: “Empathische (mitfühlende) Menschen fragen nach dem, was sie brauchen. Sie sagen nein, wenn sie nein meinen und sagen ja, wenn sie ja meinen. Sie haben Mitgefühl, weil sie durch ihre Grenzen vor Überforderung und Ärger geschützt sind.“
Sagst du in deiner Partnerschaft eher ja als nein? Weil du deinen Mann liebst, hältst du ihm den Rücken frei. Weil er gerade soviel um die Ohren hat, kümmerst du dich alleine um den Haushalt – das bringst du neben all deinen Aufgaben schon noch unter?
Fühlst du dich eigentlich manchmal nervös, enttäuscht, erschöpft? Irgendwie innerlich leer?
Könntest du dir vorstellen, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt? Die meisten Frauen lieben es, für ihre Familie da zu sein und ihre Lieben nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen. Als Ehefrau und Mutter bist du Dreh- und Angelpunkt deiner Familie, die Quelle der Freude, der Garant dafür, dass alles klappt.
Und so stehst du am Herd und kochst den beliebten Eintopf von Freude und Fürsorge. Gewürzt wird mit „Das gehört sich so“ und eine Prise „Das ist ein Zeichen meiner Liebe“ und fertig ist der Eintopf namens „Liebe ohne Grenzen“
Dein Mann und deine Kinder lieben das permanent angebotene 24-Stunden-Home-Service sicherlich (Ausnahmen bestätigen die Regel). Dagegen ist nichts einzuwenden, ich würde das auch schätzen. Doch du überziehst dein emotionales Konto grenzenlos. Für alle anderen hast du Zeit, nur für dich nicht.
Jedes Ja, das du nicht ehrlich meinst, ist ein Nein zu dir.
Mit jedem Nein zu dir verschiebst du deine Wünsche und Bedürfnisse nach später. Das Problem: verschobene Dinge schimmeln. Für gewisse Dinge ist es später einfach zu spät, manche Gelegenheiten kehren tatsächlich nie wieder. Das einzige, was bleibt, ist ein verschimmelter Traum, weil du dich selbst nicht genug wertgeschätzt hast.
Ein paar schimmlige Träume später verändert sich dein Leben, dein Sein. Deine Augen verlieren an Glanz, du wirst lustlos und traurig. Davon hat niemand etwas. Dein Mann nicht und du schon gar nicht.
Warum fällt es gerade Frauen so unendlich schwer, zu sich selbst „Ja“ zu sagen, in Liebe Grenzen zu setzen und ihren Selbstwert zu leben?
Die fünf häufigsten Gründe, die Frauen davon abhalten, Grenzen zu setzen:
- Wahre Liebe braucht keine Grenzen
Wenn zwei Seelen ineinander verschmelzen wird ein großes Ganzes draus. Ok, das klingt schön. Bei aller Liebe, aber im Alltag bleibt ihr doch zwei unterschiedliche Menschen. Grenzen definieren dich, sie zeigen deinem Gegenüber was und wer du bist und was nicht. Genauso braucht es Grenzen in deiner Partnerschaft, du hilfst deinem Mann dadurch sich zu orientieren. Wenn die Klarheit fehlt, führt das unausweichlich zu Enttäuschung, Streit und Diskussionen. Ein Zeichen von Liebe ist es, dem anderen zu zeigen, wo die eigenen Grenzen sind, das schafft Sicherheit.
- Grenzen setzen ist total egoistisch – so bin ich nicht
„Du bist plötzlich so egoistisch.“ Wenn du das hörst, nachdem du deine Grenzen neu definiert hast, weißt du eines: Zu lange hast du sie selbst überschritten und nun wehren sich die anderen, denn deine neuen Grenzen gehen auf Kosten ihrer Bequemlichkeit. Anders ausgedrückt: Sie verlieren ihre Macht über dich und können dein Verhalten nicht mehr steuern und kontrollieren. Und das ist gut so.
- Grenzen setzen ist unfreundlich
Hast du ein ungutes, komisches Gefühl beim Thema Grenzen setzen? Je sensibler du bist desto wahrscheinlicher trifft das zu. Doch das Gegenteil ist richtig: Je mehr du auf die Wahrung deiner Grenzen achtest und deine eigenen Bedürfnisse erfüllst, desto stärker und kraftvoller bist du. Wenn du in deiner Mitte bist, bist du ein Segen für deinen Mann und andere.
- Grenzen setzen heißt immer „nein“ zu sagen
Es gilt die eigenen Grenzen zu verteidigen. Dazu braucht es öfters ein Nein, das ist richtig. Je klarer und konsequenter du deine eigenen Grenzen bewahrst desto weniger Neins wird es brauchen, da dein Mann und dein Umfeld weiß, was bei dir geht und was nicht. Je konsequenter du bist, desto weniger musst du Nein sagen.
- Niemand mag mich, wenn ich Grenzen setze
Du willst geliebt und anerkannt werden? Wer will das nicht. Du bist im Elternverein aktiv, kümmerst dich um die Mutter deines Mannes, hast alle finanziellen Verpflichtungen im Überblick, korrespondierst mit der Versicherung und ohne dich läuft einfach nichts?
Du bist mit Sicherheit beliebt, denn es ist immer angenehm ein Ass im Ärmel zu haben und jemanden anrufen zu können, wenn alle anderen bereits abgelehnt haben. Ist es diese Art von Beliebtheit, die du willst?
Der Weg zu liebevollen Grenzen
Hast du dich in einem oder mehreren der fünf Punkte erkannt? Dann wirst du wissen wollen, was du sofort tun kannst, um dich selbst wertzuschätzen und deine eigenen Grenzen zu definieren.
Erste-Hilfe-Maßnahmen für mehr Selbst-Fürsorge:
- Überlege, was du aus falsch verstandener Liebe für deinen Mann tust. Wo du nein zu dir selbst sagst. Und ändere das.
- Lerne „nein“ zu sagen. Es fühlt sich anfangs ungewohnt an, aber hier führt Übung zur Meisterschaft. Du solltest in deinem Leben an erster Stelle stehen, sorge für dich und für dein inneres Kind.
- Plane Zeit für dich selbst ein. Trage quality time in deinen Kalender ein und gönne dir diese Zeit für dich – und zwar ohne schlechtes Gewissen. Verteidige diese Zeit für dich unter allen Umständen, sie gehört dir!!!
Hi, ich bin Riccarda Larcher, Beziehungscoach, werdende Autorin und Mentaltrainerin.
Ich lebe und brenne für glückliche Partnerschaften. Mit viel Verständnis und Freude führe ich vor allem Frauen zu mehr Glück, Liebe und Verbundenheit. Mein Motto lautet: „Mit Selbstwert zur glücklichen Beziehung.“
In meinem Blog findest du viele interessante Ansätze für eine erfüllende und inspirierende Partnerschaft. Eine kraftspendende Meditation wartet als Geschenk für dich. Hier geht’s zum Liebes-Blog.
Bildquelle: pixabay.com
Ich bin ein Mann und immer wieder überrascht und gleichzeitig entsetzt, dass immer wieder nur geschrieben wird, dass eine Frau das arme gebeutelte Wesen ist und dass sie diejenige ist, die ausschließlich geschützt werden muss vor dem Mann der sie belastet. Sicher gibt es dazu genügend Fälle, aber eben nicht nur bei den Frauen. Es gibt auch Männer, deren Frauen keine Grenzen kennen und die wegen jeder Kleinigkeit ihre Männer anbrüllen und sie behandeln, als hätten sie den dritten Weltkrieg ausgelöst. Den Männern wird im Gegenzug aber keine Unmutsbekundung zugestanden. Sie haben jedes Verhalten der Frau zu akzeptieren und wenn sie doch mal etwas ansprechen…ist der nächste Wutausbruch der Frau ohne die Wortes des Mannes zu verarbeiten bereits vorprogrammiert Finde dies bei diesen Themen Verwendung. Leider nein….es gibt immer nur die bösen Männer und die aufopfernden Frauen
Lieber Franko,
natürlich gibt es auch genau diese Frauen, die du da beschrieben hast. Toxische Beziehungen erleben nicht nur Frauen. Wut und Aggression sind aber häufig ein Schrei nach Liebe und Aufmerksamkeit. Daher besteht die Frage, ob man die Sprache der Liebe des anderen auch wirklich spricht und sich beide der Liebe des anderen auch wirklich bewusst sind.
Da dieser Artikel von einer Gastautorin ist hoffe ich, dass du dich mit dieser Antwort gesehen fühlst.
Liebe Grüße,
Janine